Stelen und Zeichen

Barnett Newman (*1905 New York †1970 ebenda):
Broken Obelisk (1963-67)

Corten-Stahl, 750 cm hoch. Standort: Neue Nationalgalerie, Berlin.
Die Skulptur wurde anlässlich einer MOMA-Ausstellung 2004 auf Initiative des Vereins der Freunde der Nationalgalerie hin gefertigt (als Künstlerexemplar). Weitere Exemplare dieser Arbeit sind in New York, Houston und Seattle aufgestellt. Leihgabe der Barnett Newman Foundation.

Newman entwarf die Skulptur für keinen bestimmten Ort, sie erinnert an keine bestimmte Person und an kein geschichtliches Ereignis. Der Broken Obelisk wird manchmal interpretiert als ein universelles Monument an die Menschheit. In Broken Obelisk spiegelt sich Newmans Interesse für antike Formen (die Pyramide am Fuß) ebenso wie für das Amerika der Gegenwart: der (auf den Kopf gestellte) Obelisk im oberen Teil erinnert auffällig an Amerikas berühmtesten Obelisk, das Washington Monument in Washington, D.C., der untrennbar mit den Idealen der Dauerhaftigkeit, der Freiheit und Nationalstolzes verbunden ist. Der auf den Kopf gestellte Obelisk balanciert auf der Pyramide über eine gerade einmal 5 cm dünne Verbindung...

»Newman's pursuit of the sublime lay less in nature than in culture. This enabled him to pick ancient, man-made forms and return them to pristine significance without a trace of piracy. One index of that ability was his sculpture. Broken Obelisk, perhaps the best American sculpture of its time, is Newman's meditation on ancient Egypt: a steel pyramid, from whose apex an inverted obelisk rises like a beam of light. Here, Newman bypassed the Western associations of pyramids and broken columns with death, and produced a life-affirming image of transcendence. That unruffled self-sufficiency, beyond style, gave Newman's work its mysterious didactic value. It is not 'expressive'; the silence at the core bespeaks a man for whom art was a philosophical activity, a way of knowledge.«
[Robert Hughes, Time, 18. Oktober 1971, S. 68–69]

1969 machten die Sammler Dominique and John de Menil der Stadt Houston, Texas, das großzügige Angebot, eine Exemplar von Broken Obelisk zu stiften: es sollte vor dem Rathaus zur Aufstellung kommen und Martin Luther King gewidmet sein. Newman hatte die Skulptur 1967 in New York ausgestellt - der Zuspruch war dabei ebenso sensationell gewesen wie die Diskussion kontrovers. 1968 wurde dann Martin Luther King ermordet. King hatte seine berühmte Rede ("I have a dream...") 1963 auf den Treppenstufen des Lincoln Memorials gehalten, vor Demonstranten der Bürgerrechtsbewegung im Park davor und mit Blick auf - das Washington Monument. Die de-Menil-Brüder sahen im Broken Obelisk von daher wohl nicht zuletzt ein Amerika, dessen Versprechen nicht eingelöst wurde, dessen Traum zerplatzt war. Das Exemplar des Broken Obelisk der de-Menil-Brüder steht heute auf dem Gelände der de-Menil-Sammlung: die Stadt Houston lehnte die Stiftung ab - weniger weil das Kunstwerk zu abstrakt erschien, denn wegen der Widmung an Martin Luther King.
Ein Monument an all das, was zerbrach...

»[The obelisk] is concerned with life
and I hope that I have transformed its tragic content
into a glimpse of the sublime.«
[Barnett Newman]

[Foto: © 5/2008 TEW. Alle Rechte vorbehalten]