SkulpTour Mainz

Fritz Wotruba (*1907 Wien †1975 ebd.):
Richard-Wagner-Denkmal (1970)

Bronze, 340 cm hoch.
Inschrift: "Dem Genius Richard Wagner von seinem Mainzer Verlag B. Schott`s Söhne". Auftrag 1968, gestiftet 1970 aus Anlass des 200jährigen Bestehens des Verlages B. Schott`s Söhne. Schott Music GmbH & Co. KG ist der zweitälteste heute noch bestehende Musikverlag. Bei Schott wurde unter anderem das gesamte kompositorische Werk von Richard Wagner ediert, wodurch der Verlag Weltgeltung erreichte. Standort: Rheinuferpromenade, am Eingang zur Rheingoldhalle, am 12. Juni 1970 aufgestellt.

Eine ganze Künstlergenerationen beeinflusste Wotruba, zahlreich sind seine Schüler (u.a. Joannis Avramidis, Wander Bertoni, Makoto Fujiwara, Alfred Hrdlicka), international waren seine Ausstellungen - selbst nach seinem Tod. Und das, obwohl sein Werk, gerade in den 1960er Jahren, neben den großen Kunstströmungen seiner Zeit steht. Wotruba kehrte 1945 aus dem schweizer Exil zurück nach Wien, dem Ruf an die Akademie der bildenden Künste folgend, wo er dann die Meisterklasse leitete.

»Der beinahe sinnliche Reiz der Zerstörung lässt bald nach. Es ist nicht meine Aufgabe, dieser Vergänglichkeit mehr Bedeutung zu geben, als sie schon in der Literatur, im Drama und im Film erhält. Mir geht es um die Figur, um die Statuarik, die Statik, das Maß, die Balance und um die Einheit.«
[Fritz Wotruba, 1945]

Wotruba kommt vom Stein her - was Spielerisches eher ausschließt. 1946, mit der Großen Stehenden, löste er sich von der anatomischen Gestaltungsweise; Struktur und Tektonik bestimmen nun mehr und mehr sein Werk. Zunächst löste die äußere Form seiner Figuren sich entsprechend der kubistischen Formensprache auf, Blöcke türmen sich auf - der Mensch: rätselhaft. Zu einer gewissen Ganzheit gelangt die Figur nur mehr im Kopf des Betrachters, um am Ende doch unergründlich zu bleiben. Über die „Röhrenfiguren“ aus zylindrischen Gliedern der späten 1940er Jahre und „Säulenfiguren“ ab 1954 entstehen ab 1958 die „Pfeilerfiguren“, zu denen etwa die Stehende Figur (mit erhobenen Armen) (1958) gehört [siehe sculptures & paintings - Österreichische Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts im internationalen Kontext (PDF), S. 11f] oder auch die Stehende Figur (1959) am Städel, Frankfurt am Main, oder die Stehende Figur (1970) in Hannover. "Verdichtete, hermetische Formen" [Werner Hofmann] - die zu eindringlichen inneren Bildern geraten.

»Er tritt, entgegen allem Vergänglichkeitsdurst, für die beharrenden aufgerichteten Kräfte des Menschen ein. Gleich Pfählen, gleich den Himmelsstützen, von denen die alten Mythen berichten, sehe ich diese stehenden Figuren in die Membran des Himmels getrieben. Sie verbreiten Stummheit und Lautlosigkeit um sich. An ihren Kanten zerreiben sich Worte, die Begriffe, die Definitionen.«
[Werner Hofmann, in: Berliner Rede auf Wotruba, 1962]

Dabei sind die Arbeiten auf ein harmonisches Gesamtbild hin angelegt. Alle Teile - ungeachtet ihrer massiven Präsenz im Einzelnen - sind fein austariert in ihrer Wirkung zum Ganzen hin. (Man vergleiche auch bei Hans Steinbrenner.)

»Der Wunsch nach dem Absoluten muss bei dieser Arbeitsweise [taille directe] lange unterdrückt werden, denn das Absolute und das Orthodoxe setzen Reduktion und Askese voraus, vielleicht das letzte Mittel, Kunst zum Blühen zu bringen.«
[Fritz Wotruba]

Rätselhaft und vielschichtig wie der Komponist selbst gerät auch sein Richard-Wagner-Denkmal (1970) in Mainz. Deutlicher als seine Skulpturen vielleicht gibt Wotrubas Entwurf für die Dreifaltigkeitskirche im Wiener Stadtteil Mauer, 1964 präsentiert, Aufschluss. (Wegen des großen Widerstands wurde das brutalistische Bauwerk erst 1974 begonnen und 1976 fertiggestellt.) Der Bau besteht aus 152 riesigen Betonblöcken, dazwischen - Offenheit. Anstelle einer äußeren Form, die sich selbst zur Schau stellt, setzt Wotruba dem Uneindeutig-Vielschichtigen, dem Suchen, dem Sich-Öffnen, dem Ausgreifen und auch der Gemeinschaft der Ungleichen ein Denkmal. Die äußere "Form" weist nicht gen Himmel, noch weniger weist sie ab. Vielmehr macht sie neugierig, näher zu treten, neugierig auf das Innere, lädt ein, sich einzulassen. Wenn die äußere Form sich aber auflöst - wird sie damit nicht zum Bild für Entselbstung, also ein Bild für Hingabe, für Humanität, für Spiritualität?

1948 wird Wotruba der Preis der Stadt Wien verliehen. Bereits 1955 erhält er den Großen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst sowie den Gustav-Klimt-Preis der Secession. Das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst erhält Wotruba 1971.

Mehr: Streifzug Figurative Abstraktion

[Foto: © 11/2009 tew. Alle Rechte vorbehalten]