Eduardo Chillida - Skulpturen im öffentlichen Raum

Monumento a la Tolerancia (1992)

Beton, 500 x 1200 x 800 cm, 480 t schwer.
Standort: Sevilla, Muelle de la Sal (Salzkai), am östlichen Ufer des Guadalquivir, neben der Puente de Isabel II (auch Puente de Triana genannt), Paseo de Cristóbal Colón.

Im Januar 1492 wurde mit der Belagerung der Alhambra die letzte Schlacht der katholischen Könige gegen die Mauren geschlagen, die Reconquista war am Ziel. Noch im Frühjahr desselben Jahres ordneten Isabella von Kastilien und Ferdinand II. von Aragón das Edikt von Alhambra an, das vorsah, dass Juden aus allen Territorien der Krone von Kastilien und der Krone von Aragón zum 31. Juli des Jahres vertrieben werden sollten, sofern sie bis dahin nicht zum Christentum übergetreten waren. Eine neu eingerichtete Institution, die Inquisition, wachte mit äußerster Strenge über die Gottesgläubigkeit der neugetauften Christen. Es gab Juden-Verbrennungen. Ab 1502 wurde gegen die im Land verbliebenen Mauren ebenso verfahren. 1968 wurde das Alhambra-Edikt von der spanischen Regierung für unwirksam erklärt, aber erst am 1. April 1992 durch den spanischen König Juan Carlos I. unwiderruflich außer Kraft gesetzt. Anlässlich des 500. Jahrestags des Alhambra-Edikts verabschiedete das spanische Parlament 1992 ein Kooperationsabkommen mit dem Verband der jüdischen Gemeinden in Spanien, das die Beziehungen zwischen dem spanischen Staat und den Bürgern jüdischer Konfession regelt.

Chillidas Denkmal für die Toleranz wurde am 500. Jahrestag der Vertreibung der Juden aus Spanien in Anwesenheit von König Juan Carlos eingeweiht [Schmidt 2000]. Es richtet den Blick nicht zurück, sondern nach vorn.

Die Skulptur handelt im Wesentlichen davon, dass man tolerant sein soll und die Ideen der anderen akzeptieren soll - auch wenn sie nicht mit den eigenen übereinstimmen. Man muss imstande sein, diese zu akzeptieren, anstatt ihnen entgegenzutreten.
[Chillida 1991]

Mir würde gefallen, wenn mein Werk ein winziges Sandkorn dafür beitragen könnte, dass sich die jüdischen, arabischen und christlichen Völker wieder die Hand reichen würden. Ich weiß, dass dies noch Utopie ist, aber es ist interessant, sich mit der Utopie zu beschäftigen.
[Chillida 1992, Übersetzung nach Sabine Maria Schmidt]

Ein Entwurf (Maquette), dessen Form später unverändert blieb, geht auf das Jahr 1982 zurück. Die Form besteht aus drei einander zugewandten und verbundenen Elementen, sie kann als Geste eines Die-Welt-Umarmens gelesen werden (auf dem Satellitenfoto gut zu erkennen). Den Ort wählte Chillida bereits bei einem Ortsbesuch 1981, die Freifläche am Fluss erschien ihm wie ein riesiger Sockel; Die Juden hatten hier am Salzkai den Salzhandel betrieben. Wie Chillida erst später erfuhr, hatte auf der gegenüberliegenden Flussseite, im Castillo de San Jorge, das Inquisitionstribunal seinen Sitz gehabt; das Monument weist ihm den Rücken zu. Das Denkmal wurde aus Mitteln der Expo '92 sowie durch die Vereinigung der Freunde der sephardischen Juden finanziert. Die Skulptur löste in Sevilla erstmals Diskussionsprozesse um Kunst im öffentlichen Raum aus, nicht zuletzt hätte man sich einen regionalen Künstler gewünscht. Die Abeit war zudem wohl die erste abstrakte Skulptur im öffentlichen Raum von Sevilla [Schmidt 2000].

Eine Gedenktafel mit poetischen Worten von Elie Wiesel (*1928 Rumänien †2016 New York City), Träger des Friedensnobelpreises und Holocaust-Überlebender, begleitet Chillidas Skulptur. Darin heißt es:

Wisset gut, dass im Angesicht des Schicksals,
welches euch gemein ist, nichts euch unterscheiden wird.
Weil Gott Gott ist. Alle seid ihr seine Kinder.
In seinen Augen werdet ihr alle gleich viel wert sein.
Die Wahrheit, auf die man sich beruft,
ist nicht gültig, wenn sie es nicht für alle ist.
Gewiss, alles Leben endet in der Nacht.
Aber das Leben zu erhellen ist unsere Aufgabe.

[Vergleiche auch die Dokumentation bei Patrick Comerford, 2018.]

Hinweis: nur wenige Schritte entfernt, auf der nördlichen Seite (des Brückenkopfes) der Puente de Triana befindet sich das Monument für Bartolomé de las Casas (*1484/85 Sevilla †1566 Madrid). Sevilla war der Hafen, von dem aus zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert die Schiffe zu den Westindischen Inseln ablegten und mit Gold und Silber beladen wieder zurückkehrten. Las Casas war zunächst als Konquistador in Hispaniola und Kuba unterwegs, ab 1514 jedoch wurde er, inzwischen Priester, einer der schärfsten Kritiker des brutalen Vorgehens der Eroberer und stritt fortan für die Rechte der Indios in den eroberten Gebieten. Seine Schriften beinhalten einige der frühesten Anklagen des Völkermords an den indigenen Völkers Amerikas, Las Casas kann als geistiger Vater der Idee universeller Menschenrechte gelten. Das vom Bildhauer und Keramiker Emilio García Ortiz (*1929 Sevilla †2013 ebd.) geschaffene Denkmal zeigt Las Casas zwischen Indios und einem Konquistador, vgl. die Dokumentation bei Patrick Comerford.

[Foto: mit freundlicher Erlaubnis © 12/2020 Enrique Romero, flickr. Alle Rechte vorbehalten]